05 Okt Regulierung künstlicher Intelligenz aus der Sicht privater Presse
Prof. Dr. Christoph Fiedler in PRINT&more: Brüssel will das weltweit erste KI-Gesetz bis Jahresende unter Dach und Fach bringen. Noch offen ist, ob es die Verwendung von KI in Medien angemessen behandeln wird. KI als Redaktionsassistenz ist etwas anderes als eine KI, die selbstständig synthetische Publikationen veröffentlicht. Und für den absehbaren Wettbewerb zwischen Roboterpresse und privat finanzierten Menschenmedien fehlt ein praktikabler Minimalschutz menschlicher Kreativität.
Bereits heute erstellt künstliche Intelligenz Presseartikel, die sich von ihrer menschlichen Konkurrenz kaum oder gar nicht unterscheiden lassen. Benötigt werden dazu nicht mehr als eine mit menschengemachten Texten trainierte KI-Anwendung und hinreichend verlässliche menschengemachte Informationsgrundlagen. Damit sind praktisch alle Medien herausgefordert, die Möglichkeiten von KI wenigstens zu erproben. Aus Sicht der Politik stellt sich die Frage, ob der mediale Gebrauch von KI reguliert werden muss. Bereits in dem KI-Gesetz der EU, das derzeit in Brüssel verhandelt wird, sind erste Weichenstellungen möglich.
KI in den Redaktionen
Die Verlage setzen sich mit KI auseinander. Es muss allerdings den Menschen überlassen bleiben, wo und inwieweit sie das neue Werkzeug einsetzen. Die Pressefreiheit steht auch hier hoheitlicher Regulierung entgegen. Jedenfalls wenn Redakteure künstliche Intelligenz nur als Unterstützung für Inhalte verwenden, die sie selbst inhaltlich steuern und überprüfen und die sie sich durch Übernahme der redaktionellen Verantwortung zu eigen machen, darf keine staatliche Regulierung erfolgen. Auch eine gesetzliche Kennzeichnungspficht ist dann abzulehnen. Die Verlegerverbände plädieren dafür, dass das in Brüssel verhandelte KI-Gesetz diese Wertung nachvollzieht. Unberührt bleibt die Freiheit zu weiter gehenden Hinweisen oder auch zu einem völligen Ausschluss von KI.
Synthetische Medien
Wenn KI-Anwendungen selbstständig Medieninhalte veröffentlichen, können geltende Irreführungsverbote schon jetzt die Erkennbarkeit der Künstlichkeit des Produkts verlangen. Jedenfalls wird aber wohl das KI-Gesetz der EU die zweifelsfreie Erkennbarkeit synthetischer Publikationen anordnen. Eine solche Regelung erscheint ebenso angemessen wie unproblematisch. Das gilt selbstverständlich unabhängig davon, ob der Betreiber eines solchen Robotermediums daneben auch menschengemachte Medien besitzt. Gibt es sodann Bedarf, die inhaltliche Freiheit automatisch erzeugter Medien zu regulieren? Es wäre wenig freiheitlich, wenn regulative Inhaltsvorgaben für die Ergebnisse von KI mittelbar entsprechende Tendenzen aller synthetischen Medien erzwingen würden. Es erscheint vielmehr in freiheitlichen Gesellschaften angemessen, künstlicher Berichterstattung grundsätzlich keine engeren Grenzen zu setzen als menschlicher Kommunikation. Auf der anderen Seite muss zweifelsfrei sichergestellt werden, dass KI-Veröffentlichungen keine größere inhaltliche Freiheit haben als Menschenmedien. Anderenfalls würden Robotermedien einen in keiner Weise zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren menschlichen Konkurrenten erhalten. Eher erscheint es sogar überlegenswert, der künstlichen Tatsachenberichterstattung strengere Sorgfaltspfichten aufzuerlegen, gerade weil KI-Medien schon im Grundsatz keine eigene Recherche in der realen Welt vornehmen können.
Mindestschutz menschlicher Kreativität im Wettbewerb mit der Maschine
Künstliche Intelligenz kann zu konkurrenzlos geringen Kosten jede menschengemachte Veröffentlichung für ein synthetisches Konkurrenzprodukt im jeweiligen Primärmarkt verwerten. Wenn die Gesetze den Robotermedien ein solches Vorgehen auch gegen den Willen der Menschenmedien gestatten, haben KI-Betreiber das gesetzlich verbriefte Recht zu einer vollständigen Ausbeutung der Redaktionen und Verlage. Es wird dann den Robotermedien das Recht zuerkannt, mit hohen Kosten von Menschen produzierte redaktionelle Inhalte für praktisch kostenlose Parallelveröffentlichungen im Primärmarkt der jeweiligen Redaktion zu verwerten. Marktwirtschaftlich fnanzierte menschliche Medien wie die freie Presse wären dann kaum noch möglich. Eine erste notwendige Be dingung angemessener Regulierung ist demnach ein robustes Recht der Menschen, frei darüber zu entscheiden, ob KI ihre kreativen Leistungen wie z. B. Pressepublikationen verwerten darf, sei es für Trainingszwecke oder als Quelle für künstliche Kommunikation. Ein solches Verfügungsrecht stellen bislang weder Urheberrecht noch Leistungsschutzrechte bereit. Stattdessen hat die EU zuletzt sogar eine gesetzliche Ausnahme für sogenanntes Text and Data Mining eingeführt, die die Verwertung von online verffentlichten Medieninhalten auch für gewerbliche KI-Anwendungen gestatten soll. Das ist zwar jedenfalls im Falle einer künstlichen Konkurrenzpresse nicht überzeugend, aber wohl aktueller Stand. Auch das Recht der Medienanbieter, dieser Verwertung mit einem Nutzungsvorbehalt zu widersprechen, hilft nicht weiter. Denn der Nutzungsvorbehalt entfaltet bislang keine nachprüfbare Wirksamkeit und erscheint als viel zu unsicher. Um wenigstens ein praktikables Widerspruchsrecht gegen die Verwertung durch KI zu schaen, müssen in den
Brüsseler Verhandlungen zum KI-Gesetz wenigstens die folgenden Defzite dringend behoben werden.
- Crawler müssen verpflichtet werden, eine einfache, maschinenlesbare Möglichkeit zur Erklärung des Nutzungsvorbehalts anzubieten. Zudem müssen Crawler einen erklärten Nutzungsvorbehalt zusammen mit dem Inhalt speichern, wenn sie den Inhalt zulässigerweise für eine andere als die vorbehaltene Nutzung, z. B. für Suchzwecke, herunterladen.
- Es bedarf der Klarstellung, dass nur rechtmäßig zugänglich gemachte Inhalte verwertet werden dürfen. Anderenfalls läuft der Rechtevorbehalt gegenüber nicht autorisierten Angeboten Dritter leer.
- Es ist sicherzustellen, dass Medien wegen des Nutzungsvorbehalts nicht benachteiligt werden, etwa durch Suchmaschinen oder auf anderen Plattformen.
- Jede Verwendung geschützter Inhalte durch KI-Systeme, sei es für Trainingszwecke oder als Quelle, muss erfasst werden, und zwar auch dann, wenn dafür keine längerfristigen Vervielfältigungen nötig sind.
- Sodann muss klargestellt werden, dass jede Verwertung von in der EU veröffentlichten Publikationen erfasst wird. Anderenfalls droht die Bestimmung gegenüber allen KI-Systemen, die sich außerhalb der EU befinden, komplett ins Leere zu laufen.
- Es ist klarzustellen, dass zur Erklärung des Nutzungsvorbehalts auch derjenige berechtigt ist, der das Werk rechtmäßig verffentlicht hat.
Zusätzlich müssen KI-Systeme verpflichtet werden, für die zulässige Verwendung geschützter Inhalte eine Vergütung zu zahlen. Verfügungsrecht und Vergütungsanspruch müssen realisierbar sein. Das ist derzeit nicht der Fall, weil den Menschen der regelmäßig unmögliche Nachweis obliegt, dass KI ihre Inhalte verwertet hat. Deshalb muss der EU-Gesetzgeber schon im KI-Gesetz durch Maßnahmen wie etwa Vermutungstatbestände eine Beweisführung durch die Rechteinhaber ermöglichen, bei der die KI-Systeme die Verpflichtung trifft, sich durch Dokumentation der verwerteten Inhalte und sanktionierbare Auskunftspflichten zu entlasten.
Robotermedien in der Hand der Monopolplattformen
Die Torwächter im Plattforminternet steuern durch Zugangs- und Inhaltskontrolle sowie Ranking schon jetzt die Sichtbarkeit und Verbreitung der Menschenmedien. Es würde zu weit gehen, wenn sie diese schon jetzt zu große Meinungsmacht mit eigenen künstlichen Medien kombinieren dürften. Jedenfalls aber dürfen Suchmaschinen oder andere Plattformen keinesfalls eigene KI-Inhalte oder KIInhalte ausgewählter Partner gegenüber konkurrierenden Verlagsinhalten in Ranking, Ausführlichkeit und Sichtbarkeit oder bei Zugangsbedingungen bevorzugen. Solche Diskriminierungen müssten wie die Bevorzugung des nationalen Gesundheitsportals durch das Suchmonopol oder die Bevorzugung des eigenen Shopping-Dienstes untersagt werden. Weiter gehend sollten Torwächterplattformen mit Mediendistributionsfunktion verpflichtet werden, Menschenmedien unter dem Vorbehalt anderweitiger Nutzerauswahl vor Robotermedien zu platzieren. All dies kann die friedliche Koexistenz von Menschen- und Robotermedien nicht garantieren, die Chancen dafür in einem ersten Schritt aber deutlich verbessern.
Prof. Dr. Christoph Fiedler ist im MVFP Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik sowie Chairman Legal Affairs der European Magazine Media Association EMMA.